Gassigehen mit Gott

Gassigehen mit Gott

Podcast - Lebenszeichen | 31.08.2024 | Dauer: 00:04:15 | SR 2 - Alessa Holighaus

Themen

Es ist morgens. Zwanzig nach fünf. Sehr früh. Ich laufe mit meinem Hund durch ein Waldstück, einen Berg hinauf. Oben schimmern Stoppelfelder im heller werdenden Nachtschwarz. Alles ist ruhig. Ich laufe ein bisschen leer vor mich hin. Meine Gedanken sind ziellos - aber unruhig. „MEIN GOTT!“ rufe ich plötzlich genervt. Meine Gedanken sprengen mir den Kopf, so viel geht darin vor. Ich spüre auf einmal den Wind. Eine Morgenbrise weht mich kühl an.„Was gibt’s?“ fragt eine feste Stimme. „Raus mit der Sprache.“Ist es der Wind, der mich auffordert? Wer ist da im Wind? Nach ein paar Schritten fasse ich mir ein Herz und will antworten. Unsortiert platzt es aus mir heraus: „MEIN GOTT! … ICH HAB ANGST! ICH HAB ANGST … Um mein Kind, um seine Zukunft!…Ich hab Angst vor einem dritten Weltkrieg, vor Neonazis und den Menschen die immer gewaltbereiter werden! Ich hab Angst um meine FreundINNEN und meine queeren Freunde! Um die Zukunft jedes einzelnen Kindes in unserm Freundeskreis hab ich Angst! Und, verdammt nochmal, um diese Welt! Es brennt an jeder Ecke, jeden Tag ist irgendwo eine Katastrophe und irgendein MANN versucht mehr Macht an sich zu reißen! Das ist furchtbar!“Nach meiner Wortlawine schweige ich. Hab ich da wirklich dem Wind geantwortet? Der säuselt ein bisschen. „Mhm. Das ist viel Angst.“ „Dein Ernst? Das ist deine Antwort?“ frage ich ungläubig.„Naja… deine Angst ist IN DIR. Aber es ist es schon mal sehr gut, dass du weißt, wovor und um wen du Angst hast. Ängste kann man besiegen - oder zumindest kleiner werden lassen.“„Aha.“ antworte ich. „Und wie soll das gehen? Wie soll ich denn mit all dem fertig werden? Und wieso ICH? Müsstest DU nicht was tun?“Gott im Wind klingt genervt: „Nein, das ist auch eure Angelegenheit. Ihr seid genauso verantwortlich, wie ich auch. Ich hab euch so gemacht wie mich: mit Herz und Hirn und Hand. Ihr müsst eben alles mal benutzen!“Das stellt mich nicht zufrieden. „Was soll ich denn tun? Ich allein kann doch herzlich wenig ausrichten…!?“ Jetzt weht mir der Wind direkt ins Gesicht: „Red nicht so einen Quatsch! Du hast ein Herz und ein Hirn und sogar zwei Hände! Also mach was draus! Und wenn du dich mit deiner Angst einsam fühlst: Andere Menschen haben auch Herz, Hirn und Hand. Tu dich mit denen zusammen! Du weißt, wen ich meine!“ „Mein Gott… kannst du nicht einfach mal die Dinge für mich oder die Welt regeln? Kriege beenden und die Zukunft von Kindern sichern, das sind ganz schön große Aufgaben für uns Menschen.“„Stimmt - aber ich hab euch alles gegeben, was ihr braucht. Also bitte: Macht was draus.“Der Wind weht sanft. Der Morgen dämmert. Es wird langsam hell. Der Himmel leuchtet zart rosa-orange. Ich bin immer noch unzufrieden. „Du klingst wie ein Glückskeks. Na gut, dann müssen wir eben eins nach dem anderen angehen. Aber wehe du lässt uns allein! Vor uns liegt nämlich ein Weg, der viel Kraft und Ausdauer braucht, für mich vielleicht zu viel. Ich bin so erschöpft. So ausgelaugt…“Der Wind frischt auf. „Für wen hältst du mich? Durch meinen Sohn hab ich euch doch versprochen: Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt.“ „Ich hoffe nur, dass das eher später kommt als früher“ entgegne ich Gott im Wind.Ich stehe oben auf dem Berg. Die Stoppelfelder liegen vor mir in der Morgensonne. Frühnebel steigt auf. Kaum merklich ist der Wind. Und wärmer.Ich atme im Wind ein und aus. „Na dann eben einen Schritt nach dem anderen. Mal sehen, was wir mit Herz, Hirn und Hand so alles schaffen können.“

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