Krawalle wegen Wohnungsnot in Berlin (25.7.1872)

Krawalle wegen Wohnungsnot in Berlin (25.7.1872)

Podcast - ZeitZeichen | 25.07.2022 | Dauer: 00:14:31 | SR kultur - Kerstin Hilt

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Eine boomende Stadt, steigende Mieten: Das war schon im 19. Jahrhundert so, besonders in Berlin. Im Jahr 1872 begehren Mieter in der Blumenstraße mit Krawallen auf, gegen Wohnungsnot und Rechtlosigkeit. Am frühen Morgen beginnt es mit ein paar verschlissenen Möbelstücken auf dem Trottoir – und endet am Abend mit einer aufgebrachten Menge von mehreren tausend. Am 25. Juli 1872 begehren die gebeutelten Mieter der neuen Reichshauptstadt Berlin erstmals auf: gegen Mietwucher, Rechtlosigkeit, Spekulation. Ein Konflikt, der vielen Berlinern heute schmerzlich nachvollziehbar scheint. Berlin wächst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts schnell. Neu entstehende Fabriken locken Familien aus der Provinz in die große Stadt, doch Wohnungen werden kaum gebaut. Vielmehr treten nach der Reichsgründung 1870/71 zunehmend Spekulanten auf den Plan: Statt das kostbare Bauland für Mehrfamilienhäuser zu nutzen, lassen sie es brachliegen – in der Hoffnung auf satte Gewinne beim Weiterverkauf. Der Tischler Ferdinand Hartstock weiß davon kaum etwas. Für ihn ist viel dringender, dass er mit seiner Familie am 25. Juli 1872 von einem Tag auf den anderen vor die Tür gesetzt wird, buchstäblich: Seine gesamte Habe versperrt an jenem Morgen den Passanten den Weg zur Arbeit. Der Grund für die Kündigung: Er habe unrechtmäßig einen Untermieter in seiner Wohnung. Allerdings: Ohne solche Untermieter, oft „Schlafburschen“ genannt, die lediglich für ein paar Stunden ein Bett benutzen dürfen, können sich viele Familien die horrenden Mieten gar nicht leisten. Die meisten seiner Nachbarn in der Blumenstraße, einem Arbeiterviertel, können seine Not verstehen und protestieren lautstark und gewaltsam. Bis Mieter in Berlin und anderswo mehr Rechte bekommen, wird es allerdings noch lange dauern.

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