SR Zeitzeugen - Das Alter einer Anlage bestimmt die Sicherheit sagt Hermann Becker
Audio | 01.01.2004 | Dauer: 00:01:29 | SR.de - SR
Themen
Die schweren Unfälle betreffend lagen wir äußerst günstig. Aber die Absolutzahl der Unfälle war bei uns relativ hoch. Das kam zum wesentlichen Teil durch die Produktpalette, die wir fuhren. D.h. der Anteil manueller Tätigkeiten war bei kleinen Produkten, die man noch von Hand bewegen kann, sehr hoch, und das führt zwangsläufig zu diesen leichten Verletzungen von Fingern und Händen. Insofern muss ich sagen, hatten wir die Unfallhäufigkeit betreffend eine ungünstige Zahl.
Tödliche Quetschungen entstehen meist durch pendelnde oder schwebende Lasten. Oder durch Profileinschränkungen. Sehen Sie, jetzt sind wir wieder bei den alten Anlagen, so Unfälle kamen in den neuen Anlagen gar nicht mehr vor. Profileinschränkungen bei der Bahn, wo also der Rangierer in die Falle hineinlief oder der Reparaturmann auf der Kranfahrbahn plötzlich vom Kran erfasst wurde. Der Kranführer muss ja unten hinschauen. Oft gab es Absprachedefizite. Dann kam es zu Quetschungen.
Man muss die Anlagen berücksichtigen, mit denen die Leute arbeiten müssen. Es gibt risikoreiche Anlagen, insbesondere die uralten Anlagen waren wesentlich risikoreicher als die neueren Anlagen. Ich darf bemerken, dass z. B. Quetschungen, insbesondere lebensbedrohliche Quetschungen praktisch in neueren Anlagen so gut wie nicht mehr vorkommen.
Einen Horror hatte ich vor einem ganz besonderen Gas, das war der reine Sauerstoff. Das war auch eine kritische Sache, und zum Glück blieben wir vor reinen Sauerstoffunfällen verschont. Ich weiß aber von meinen Kollegen in den anderen Werken – ich hatte ja einen sehr regen Erfahrungsaustausch mit meinen deutschen und ausländischen Hüttenkollegen und der Kommission der Europäischen Gemeinschaft. Sauerstoff war ein sehr risikoreiches Gas - aus dem einfachen Grunde, weil jeder weiß: Mein Gott, ich brauche es doch zum Atmen. Und Sauerstoff führt man doch zu, wenn jemand bewusstlos ist, um ihn wiederzubeleben. Wie kommt der jetzt dazu und sagt: ,Sauerstoff ist lebensbedrohlich?’
Es ist bereits bei geringfügigen Anreicherungen lebensbedrohlich. Ein benachbartes Hüttenwerk hat einen ganz schlimmen Sauerstoffunfall gehabt. Geringfügige Anreicherungen von 21 Prozent steigern die Entzündbarkeit der Kleidung um das zigfache. Ein Zigarettenfunke genügt, um einen in Brand zu setzen.
Und dann das berühmte Hochofengas, das Gichtgas. Das waren auch besondere Risiken. Und da haben wir leider auch einige tödliche Unfälle durch das Hochofengas gehabt. Das ist deshalb so gefährlich, weil es sich dreihundert mal schneller als Sauerstoff an das Hämoglobin des Blutes anbindet. Das heißt, jemand erleidet den inneren Erstickungstod. Er schläft ein und wird nicht mehr wach.
Weitere Informationen zum Beitrag
Zur Homepage